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Ein Erbe kommt selten allein – Fachanwalt Klaus Gladischefski erläutert, was im Erbfall mit meinem Erbe geschieht

Was passiert im Erbfall mit dem Nachlass? Welche Folgen ergeben sich aus dem gesetzlichen Erbrecht? Was fällt in den Nachlass? Wer wird Erbe? Klaus Gladischefski, Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Familienrecht der Bonner Kanzlei Eimer Heuschmid Mehle (EHM), gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum soll ich überhaupt ein Testament machen?

Um die Frage beantworten zu können, sollte ich erst einmal überlegen: Wer wird mein Erbe sein, wenn mir heute oder morgen etwas zustößt und sich die Erbfolge nach den gesetzlichen Regelungen richtet, weil ich kein Testament errichtet habe? Und bin ich mit diesem Ergebnis zufrieden oder möchte ich jemand anderen einsetzen? Ein Testament oder Erbvertrag ist insofern sinnvoll, als dass ich als Erblasser alleine festlege, auf wen mein Vermögen nach meinem Tod übergeht. Ohne Testament richtet sich die Erbfolge nach der gesetzlichen Regelung: Es erben normalerweise nächste Verwandte, insbesondere die Kinder, daneben der Ehepartner oder der eingetragene Lebenspartner. Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft, die sich auseinandersetzen muss.

Welche Möglichkeiten habe ich, für den Fall meines Todes Anordnungen zu treffen?

Durch eine letztwillige Verfügung in Form eines Testaments oder eines Erbvertrags kann ich alle Fragestellungen regeln, die sich für den Fall meines Todes ergeben. Als Erblasser kann ich zum Beispiel bestimmen, wer mein Erbe sein soll, und bei mehreren Erben, wer konkret was erhalten soll. Ich kann auch einer künftigen Erbengemeinschaft Vorgaben machen, wie sie sich auseinandersetzen soll. Zugunsten einzelner Personen kann ich Vermögenszuwendungen in Form eines Vermächtnisses treffen oder zum Beispiel anordnen, dass meinem Partner auf Lebenszeit ein Nutzungsrecht an der bisher bewohnten Immobilie eingeräumt wird. Es gibt eine Vielzahl weiterer Handlungsmöglichkeiten, die im Einzelfall dargestellt und geprüft werden müssten.

Woran muss ich denken, wenn ich meine Kinder als Erben einsetzen will, aber von ihrer Mutter bzw. ihrem Vater getrennt lebe oder geschieden bin?

Ich kann festlegen, dass das Vermögen, das meinen minderjährigen Kindern im Erbfall zufällt, nicht von dem von mir getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten verwaltet wird. Ich kann Personen benennen, die mein Erbe verwalten, bis meine Kinder volljährig sind. Mithilfe eines Testamentsvollstreckers könnte ich die Verwaltung des Vermögens sogar über den Zeitpunkt der Volljährigkeit der Kinder hinaus festlegen.

Besteht eine Möglichkeit, Vermögenswerte „am Nachlass vorbei“ einzelnen Personen zukommen zu lassen?

Ja, es gibt mehrere Möglichkeiten. Ich kann zum Beispiel durch einen sogenannten Vertrag zugunsten Dritter eine Vereinbarung treffen, wonach im Fall meines Todes ein bestimmtes Kontoguthaben an eine bestimmte Person ausgezahlt wird. Eine weitere Möglichkeit besteht im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung. Hier kann ich festlegen, an wen sie im Versicherungsfall konkret ausbezahlt wird.

Kann ich über meinen Nachlass völlig frei verfügen oder gibt es Grenzen, die ich zu beachten habe?

Grundsätzlich kann ich frei entscheiden, was mit meinem Vermögen geschieht. Grenzen werden insbesondere durch das sogenannte Pflichtteilsrecht gesetzt, das gesetzlich geregelt ist: Nächste Angehörige, also Kinder, Enkel- oder Urenkel sowie der Ehepartner bzw. eingetragener Lebenspartner, erhalten einen festgelegten Anteil des Nachlasses – auch gegen den Willen des Erblassers.

Ich besitze ein Ferienhaus in Spanien und möchte als Rentner dort meinen Lebensabend verbringen. Muss ich mir Gedanken über die Errichtung einer letztwilligen Verfügung machen?

Ja, unbedingt! Denn seit dem 17. August 2015 gilt laut der Europäischen Erbrechtsverordnung die Grundregel, dass sich das im Erbfall anzuwendende Recht nach dem Wohnort des Erblassers richtet – und nicht mehr nach seiner Staatsangehörigkeit. Treffe ich also keine Regelung, orientiert sich die Erbfolge in diesem Fall am spanischen Erbrecht. Und auch meine in Deutschland lebenden Erben müssten sich mit spanischen Erbrechtsvorschriften und gegebenenfalls der Abwicklung des Nachlasses in Spanien auseinandersetzen.

Aber unabhängig davon, wo ich meinen Lebensabend verbringe, kann ich als deutscher Staatsangehöriger bestimmen, dass im Todesfall mein „Heimatrecht“ angewendet wird, also das deutsche Erbrecht. Und dafür muss ich eine letztwillige Verfügung errichten, also ein Testament machen.